Politische Stabilität R.I.P.?

Veröffentlicht am 28.01.2008 in Features

Das Wahlergebnis in Hessen und Niedersachsen lässt nichts Gutes hoffen.

„Koch ist weg“, „Wahlsieg für SPD“, „Glückwunsch an Andrea Ypsilanti“

Der gestrige Wahlsonntag hat mal wieder gezeigt, dass doch alles anders kommen kann als man denkt. Lange als Siegerin gehandelt, teilweise sogar mit rot-grüner Mehrheit, muss man im Endeffekt leider doch sagen, dass Andrea Ypsilanti deutlich weniger Stimmen (SPD/Grüne) als Roland Koch (CDU/FDP) erhielt. Trotzdem waren die Reaktionen auf das Abschneiden der SPD positiv, sowohl in den Medien, als auch in der SPD selbst.

Welche Ziele wurden bei den beiden Landtagswahlen jedoch tatsächlich erreicht? Das ist die Frage, der sich die SPD ehrlich stellen muss.

positive Aspekte:
1. Die SPD hat eine schwarz-gelbe Mehrheit in Hessen verhindert.
2. Die SPD hat deutlich besser abgeschnitten als noch vor zwei Monaten für möglich gehalten worden ist.

negative Aspekte:
1. Die CDU ist in Hessen stärkste Partei geblieben.
2. Koch ist trotz Allem noch lange nicht weg.
3. Eine rot-grüne Mehrheit ist nicht zustande gekommen, eine andere Regierungskonstellation mit Ypsilanti an der Spitze weit und breit nicht zu sehen.
4. Im eigentlich roten Niedersachsen hat die SPD ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten erzielt.
5. Schwarz-gelb in Niedersachsen wurde nicht im Entferntesten in Gefahr gebracht.
6. Weder in Hessen noch in Niedersachsen gelang es, den Einzug der „Linkspartei“ in den Landtag zu verhindern.
Irgendwie habe ich, bei aller berechtigten Freude, Roland Koch so erheblich beschädigt zu haben, das Gefühl, dass die negativen Aspekte an diesen Wahlen überwiegen. So merkwürdig es nach der anfänglichen Euphorie des gestrigen Wahlabends klingt, es ist absolut angebracht, eine Fehleranalyse zu betreiben, damit in zukünftigen Wahlkämpfen die Lehren daraus gezogen werden. Ich fange mit den Problemen der SPD in Niedersachsen an, weil sie leichter zu analysieren sind.

Es ist ziemlich eindeutig, dass das Versagen der SPD in Niedersachsen in erster Linie auf den Spitzenkandidaten zurückzuführen ist. Wolfgang Jüttner war, bei allem Respekt für seine Person und Politik, leider gänzlich ungeeignet, um den charismatischen und (unbegreiflicherweise) enorm beliebten Christian Wulff zu bekämpfen. Das Wahlergebnis zeigt, dass auch die CDU nicht ansatzweise an ihren Erfolg der letzten Wahl anknüpfen konnte. Ganz unverwundbar war also auch Wulff nicht. Aber Jüttner hat es nie geschafft, die schwachen Stellen von Wulffs Politik deutlich hervorzuheben. Stattdessen wetterte er lieber über dessen Privatleben, ein Thema, mit dem man nur noch sehr konservative Hunde hinter dem Ofen hervorholt.
Er schaffte es einfach nicht, seine Wähler zu mobilisieren, was entscheidend zum Erfolg von Wulff und der PDS beitrug. Das Ergebnis, auch wenn es im Endeffekt doch noch schlechter als erwartet ausfiel, war eigentlich von dem Augenblick an, an dem sich Jüttner die Spitzenkandidatur sicherte, vorprogrammiert.

Zugegebenermaßen sieht das Bild in Hessen doch um einiges freundlicher aus als in Niedersachsen. Wie erhofft, hat Koch mit seinem Ekel erregenden, ausländerfeindlichen Wahlkampf seine günstige Ausgangsposition aus dem letzten Jahr so vollständig verspielt, dass es lange Zeit nach einem Sieg der SPD aussah. Aber diesen hat es nicht gegeben und Ypsilanti muss sich wirklich vorhalten lassen, sich viel zu früh gefreut zu haben.
Unabhängig von der Frage, ob ein rhetorisch begabterer Spitzenkandidat die Schwächen Kochs hätte besser ausnutzen können, lässt sich doch aus dem ersten Wahlkampf, der von einer „neuen“, linker ausgerichteten SPD geführt wurde, einiges Lehrreiches für die Zukunft ablesen.
Der Wahlkampf war polarisierend, was sich auch an der im Vergleich zur Niedersachsenwahl relativ hohen Wahlbeteiligung ablesen lässt. Das Ziel, die an die „Linke“ verlorenen Schäfchen wieder einzusammeln, wurde jedoch ebenso wie in Niedersachsen eindeutig verfehlt. Auch die Hoffnung, durch Mobilisierung der eigenen Wähler ließe sich die PDS marginalisieren, hat sich nicht erfüllt. Die SPD muss sich einfach von dem Gedanken verabschieden, mit kleinen Schritten nach links ihre Wähler wiederzubekommen. Die Versprechen, die die SPD macht, können von der PDS immer noch überboten werden. Wähler, die mental nicht in Deutschland, sondern im linken Schlaraffenland leben, lassen sich nicht von Versprechen wie einem Mindestlohn von 7,50 Euro ködern, zumindest nicht, solange die PDS 9 Euro fordert.
Das ist auch der Grund, warum dieser sechste Punkt auf meiner Negativliste auf der mit Abstand wichtigste ist. Wahlergebnisse ändern sich alle fünf Jahre, so wie Wulff gestern wiedergewählt wurde, kann er in fünf Jahren genauso wieder weg sein. Schlimmer sind die langfristigen Auswirkungen, die die Ausbreitung der PDS auf den Westen hat. Man sieht jetzt schon in Hessen, dass sich, sobald die PDS im Landtag sitzen, sich die Mehrheitsbildung sehr schwierig gestaltet. Im Osten werden vier von fünf Bundesländern schon von großen Koalitionen regiert, weitere im Westen werden vielleicht folgen (Hessen, Hamburg). Große Koalitionen tendieren dazu, seltener einer Meinung zu sein (siehe Bund) und Frust unter den Wählern, insbesondere denen des Juniorpartners (siehe Umfragen) zu erzeugen. Die Folge sind noch schlechtere Wahlergebnisse für die großen Parteien und noch geringere Chancen auf Mehrheitsbildungen durch kleine Koalitionen. Die politische Stabilität, auf die wir lange so stolz waren, geht ebenso den Bach herunter wie die Wahlbeteiligung. Wenn die PDS in den nächsten Jahren in weitere westdeutsche Landtage einzieht, fürchte ich wirklich um die Handlungsfähigkeit der Regierungen.
Was ist also zu tun? Hessen zeigt, dass nicht einmal die linkeste Kandidatin, die wir nur finden konnten, zusammen mit einem polarisierenden Wahlkampf die PDS entscheidend schwächen konnte. So kann man den gnadenlosesten Populisten (nach Roland Koch, versteht sich) einfach nicht beikommen. Es wird sicher nicht leicht werden, diesen Pfahl im Fleisch des deutschen Parteiensystems herauszuschneiden. Ich weiß jedoch mittlerweile, wie es nicht klappt, nämlich indem man seine eigene Politik, die das Leben für die vielen Menschen, die Arbeit gefunden haben (an denen der Aufschwung nicht vorbeigeht), nachträglich als falsch bezeichnet und sich stattdessen ins linke Traumland entführen lässt. Gestern Abend sagte der von mir eigentlich überhaupt nicht geschätzte Erzkonservative Bosbach einen Satz, so wahr, wie ich seit Wochen keinen gehört habe: „Wer hinterher läuft, wird immer Zweiter sein.“ Das sollten wir uns wirklich zu Herzen nehmen.

Bastian Jansen

 

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