Auf der Fahrt nach oben

Veröffentlicht am 10.09.2013 in Veranstaltungen

PALAIS HIRSCH: „Rotes Sofa“ trudelt zwar mit Verspätung ein, die Wahlkampfschelten der SPD gegen die CDU sitzen jedoch punktgenau

Als Peter Friedrich, der Landesminister für Bundesrat, Europa und internationale Fragen, mit dem Sakko über der Schulter ins Palais Hirsch hineingeschlendert kommt, fehlt sie noch, die rote Couch. Die Transporteure haben die Ausfahrt verpasst. Doch ohne Couch geht es nicht, so viel ist klar. Denn sie ist das Erkennungsmerkmal des Born-Wahlkampfs, auf dem sich allein in den vergangenen Wochen Finanzexperte Ingo Rust und Integrationsministerin Bilkay Öney die Ehre gaben.

Dann kommt sie doch noch an. Eifrig eilen zwei kräftige Männer herbei, verfrachten das rote Prachtstück in den Aufzug und schon ist sie da. Wenn die anfängliche Irrfahrt und der anschließende Höhenflug auch für den Wahlkampf der Bundes-SPD gelten darf, müsste für Daniel Born ja alles zum Besten stehen. Doch mit solchen Wortspielereien will man sich an diesem Abend nicht befassen. Denn, auch wenn sich Peter Friedrich im legeren Streifenhemd und Jeans präsentiert, so sind seine Worte doch schallende Ohrfeigen, die ihren Vortrag mit selten gehörter Sachlichkeit finden. Dabei startet Friedrich doch wunderbar harmonisch.
Die tiefen Sorgenfalten, die viele Bürger beim Wort "Europa" stets bekämen, seien jedenfalls oft gar nicht gerechtfertigt. Denn seiner Sicht nach handele es sich in Europa um "das erfolgreichste Friedens- und Bündnisprojekt auf der ganzen Welt." Das Problem liege vielmehr daran, dass Deutschland die Sonderrolle als größter Nutznießer Europas allzu gerne für sich in Anspruch nehme, ohne dafür viel tun zu wollen. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg - das macht Friedrich überdeutlich - seien es doch die europäischen Partner gewesen, die der Bundesrepublik wieder Vertrauen geschenkt hätten. "Und wie dankt das die Bundesregierung unseren Partnern? Mit reinem Krisenmanagement." Neue Impulse seien da Fehlanzeige gewesen. Man wisse in Brüssel ja noch nicht einmal, was die Haltung der Bundeskanzlerin nach dem 23. September sein werde. Für Schwarz-Gelb und ganz Deutschland sei das ein "absolutes Armutszeugnis".
"Europa ist mehr als nur der Euro"
Und so sehr das nach Wahlkampfschelte klingt, so spricht mit Friedrich doch einer, der es wissen muss. Der mit Regelmäßigkeit als Vertreter Baden-Württembergs in Brüssel referiert und sich wieder und wieder anhören muss: "Was ist denn nun mit euch Deutschen? Wie steht ihr dazu? Wir warten auf euch!" Bei der Harmonisierung von Steuern, bei der Vereinheitlichung von Sozialstandards, bei der Frage nach einer europäischen Verfassung. "Ich werde nicht müde das zu sagen: Europa ist einfach mehr als nur der Euro - und ich hoffe das wird auch Frau Merkel irgendwann begreifen."
Friedrichs Sätze sind lang, winden sich manchmal wie ein Lasso in der Luft, treffen dann aber doch ihr Ziel - zielsicher und hart. Die "Stuttgarter Zeitung" hat ihn einmal als "Mann für den Maschinenraum" bezeichnet. Und in der Tat kennt sich Friedrich mit dem Motor namens Europa unglaublich gut aus. Denn auch wenn Ursula von der Leyen sich mit ihrem Acht-Milliarden-Paket zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit gebrüstet hat, weiß Friedrich, dass dieses Geld nichts als heiße Luft bleibt, wenn es nur für befristete Praktikums-Gutscheine zum Einsatz kommt.
Allein in Baden-Württemberg, da lässt der Minister keine Zweifel, werden bis 2020 eine halbe Million Facharbeiter fehlen. Schon jetzt arbeite man dafür gemeinsam mit dem stark von Jugendarbeitslosigkeit geplagten Elsass in einem zweisprachigen Ausbildungsprojekt zusammen. Aus Friedrichs Sicht Pionierarbeit, die die Bundesregierung viel zu wenig interessiere. "Solche Probleme sind aber eben beileibe nicht so weit weg, wie wir immer glauben." Und ob es nun um die Privatisierung von Wasser, die Bankenaufsicht oder die Finanztransaktionssteuer ginge - die Bürger seien durchaus an Europa-Themen interessiert. Nur beziehe man sie einfach nicht ein, verschleiere Fakten mit Intransparenz und wundere sich dann: "Woher kommt denn nur die Verdrossenheit?"
Weg zur "Entdemokratisierung"
Peter Friedrich wirkt wie der Mann, der dem konservativen Prügelknaben den Schlagstock aus der Hand nehmen will. Denn was dabei herauskommt, wenn man Regierungen totsparen wolle, sei klar vorbezeichnet: Entdemokratisierung. "Wir alle können uns überlegen, wie souverän ein griechischer Abgeordneter heute noch abstimmen kann, wenn die Hand der Troika ihm drohend vorschreibt, welche Steuer erhöht und welches Sozialprogramm abgeschafft werden muss." Und während die Gäste diesem letzten Satz noch nachsinnen, wird das rote Sofa abtransportiert, nach unten. Nur die SPD, die will oben bleiben.
© Schwetzinger Zeitung, Samstag, 07.09.2013

 

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