„Direktmandat wäre eine Sensation“

Veröffentlicht am 10.09.2013 in Politik

IM INTERVIEW: SPD-Bundestagskandidat Daniel Born über ehrgeizige Ziele, Fehlentwicklungen, die durch die eigene Partei mit ermöglicht wurden, und eine leise Hoffnung

Die Veranstaltung vorbei, das Palais Hirsch leert sich. Es ist eines von vielen Wahlkampfevents dieser Tage, die Daniel Born bestreitet. Doch auch am späten Abend kennt der SPD-Bundestagskandidat aus dem hiesigen Wahlkreis Bruchsal-Schwetzingen keine Hektik. Im Gespräch mit unserer Zeitung wirkt er fast entspannt.

Herr Born, Sie haben einmal gesagt, dass Sie der SPD beigetreten sind, weil Sie gegen die Spalter der Gesellschaft Politik machen wollen. Sehen Sie Deutschland heute gespalten?

Daniel Born: Das war einer der Gründe. Der Armutsbericht hat es ja gezeigt: In unserem Land driftet vieles auseinander. Die Schere zwischen Arm und Reich ist in den letzten Jahren immer weiter auseinandergegangen. Wir spüren, dass es immer schwerer wird, in ein sicheres Arbeitsverhältnis zu kommen, dass immer mehr Menschen zu Armutslöhnen arbeiten müssen. Viele haben Angst vor Altersarmut.

Als leitender Mitarbeiter der Agentur für Arbeit sind Sie ein Kenner des Arbeitsmarktes - wo hakt es aus Ihrer Sicht denn gerade besonders?

Born: Arbeit ist die Grundlage unseres Wohlstands - gerade auch hier in der Region. Problematisch ist die Ansicht der CDU und FDP, dass jede Arbeit gute Arbeit ist. Das stimmt nicht. Gute Arbeit sorgt dafür, dass ich davon leben kann, dass ich meine Familie davon ernähren kann, dass ich einen ordentlichen Rentenanspruch erwerbe und sozialversicherungspflichtig beschäftigt bin. Vor allem für junge Menschen, die nach Ausbildung oder Studium oft nur befristet oder über Praktika beschäftigt werden, sind diese Themen ein großes Problem.

Die SPD fordert gerade daher ja auch einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. CDU und FDP sagen bei Einführung eine Entlassungswelle voraus. Wie stehen Sie dazu?

Born: Diese befürchtete Entlassungswelle ist eine Chimäre. Es geht uns nur darum, nach unten hin eine Reißleine zu ziehen. Unter 8,50 Euro zu verdienen, bedeutet Armutslöhne zu beziehen. Oft muss dann die Allgemeinheit diese Armutslöhne mit Sozialleistungen aufstocken. Das bedeutet: Der Staat subventioniert Billiglohnstrategien. Zudem hat sich gezeigt, dass die CDU-Pläne von branchen- oder regionalbezogenen Untergrenzen dazu führt, dass Lohndumping-Landkreise mit Regionen im Wettbewerb stehen, in denen anständig bezahlt wird. Das kann nicht ernsthaft die Zukunft sein, die sich Deutschland auf dem Arbeitsmarkt wünscht.

Sie kritisieren die Ausbeutung von Leiharbeitern und fordern sowohl die Begrenzung als auch Gleichbezahlung von Leiharbeit. Hätte die SPD nicht früher erkennen müssen, dass dieses Instrument aus dem Ruder läuft?

Born: Leiharbeit wurde nicht von der SPD erfunden. Aber sicher hat die SPD die Regelungen so aufgeweicht, dass Fehlentwicklungen möglich waren. Das war falsch. Heute weiß jeder, dass Leiharbeit auch dazu missbraucht wird, die Löhne zu drücken. Für mich ist klar, dass Leiharbeiter ab dem ersten Tag gleich bezahlt werden müssen und auch nur für Auftragsspitzen eingesetzt werden dürfen.

Stichwort Familie: Sie stehen für die Abschaffung des Betreuungsgeldes. Auch diese Milliarden werden jedoch nicht reichen, um Wahlfreiheit für alle Eltern zu gewährleisten. Woher soll das Geld für ausreichend Betreuungsplätze kommen?

Born: Echte Wahlfreiheit für alle Eltern zu schaffen, wird natürlich mehr kosten als nur die zwei Milliarden, die in das integrations- und bildungsfeindliche Betreuungsgeld geflossen sind. Deshalb sage ich: Wir müssen für die reichsten fünf Prozent der Bürger die Steuern erhöhen. Dafür garantieren wir aber auch, dass dieses Geld komplett in Bildung, Infrastruktur und den Schuldenabbau fließt.

Die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen betreffen Menschen ab einem Jahreseinkommen von 64 000 Euro, also den oberen Mittelstand. Wie vermitteln Sie diesen Leistungsträgern der Gesellschaft, dass sie nun noch mehr abgeben sollen als bisher?

Born: Indem man es tatsächlich ausrechnet. Ja, jemand der alleinstehend ist und 64 000 Euro im Jahr verdient, wird für unser Infrastruktur- und Bildungsprogramm zwei Euro mehr im Jahr an Steuern bezahlen. Und in meinen Gesprächen habe ich den festen Eindruck, dass die Menschen auch verstehen und unterstützen, dass mehr Geld in die Hand genommen werden muss. Schwarz-Gelb hat allein in den letzten vier Jahren 100 Milliarden neue Schulden gemacht. So darf es nicht weitergehen.

Sie sind Verfechter einer grünen Energiewende. Kann das ohne Kohle- und Gaskraftwerke funktionieren?

Born: Auf lange Sicht in jedem Fall. Ich habe das ehrgeizige Ziel, dass bis 2030 75 Prozent unseres Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen wird und nur bis dahin werden wir Kohle- und Gaskraftwerke weiter betreiben. Energie muss jetzt und in Zukunft grundlastfähig und bezahlbar bleiben. Darum finde ich es auch richtig, dass die SPD unmittelbar nach der Regierungsübernahme die Stromsteuer um 25 Prozent senken wird.

Die SPD kämpft für eine Bürgerversicherung, die jedem Bürger - fernab von seinem Einkommen - eine Grundversorgung zugesteht. Ansprüche aus Zusatzversicherungen, die Patienten privat finanziert haben, fallen damit weg. Wie wollen Sie den Bürgern das erklären?

Born: Zusatzversicherungen wird es weiter geben. Mir geht es aber darum, dass wir eine solidarische Versicherung für alle haben, mit der wir es schaffen die Zwei-Klassen-Medizin abzuschaffen. Denn nur so können alle Bürger an den Fortschritten im Gesundheits- und Pflegewesen teilhaben.

Auf der Landesliste stehen Sie nur auf Platz 25 - das heißt im Klartext: Wenn Sie das Direktmandat nicht bekommen, sieht es schlecht aus mit dem Einzug in den Bundestag. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?

Born: Kein Kandidat in diesem Wahlkreis hat einen besseren Listenplatz, aber es stimmt natürlich. Um über die Liste einzuziehen, müsste die SPD schon ihr Ergebnis von 2005 wiederholen. Aber genau deswegen kämpfe ich um jede Stimme. Keine
Frage: Es wäre eine Sensation als SPD-Kandidat hier bei uns das Direkt-Mandat zu holen! Doch ich merke, dass immer mehr Menschen Lust auf eine Sensation haben. Meine Stimmungslage: zuversichtlich.

© Schwetzinger Zeitung, Montag, 09.09.2013

 

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