Die Weichen kann jetzt der Bürger stellen - Presseecho zur Podiumsdiskussion zum Thema "S21"

Veröffentlicht am 27.11.2011 in Presseecho

"Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit" - so zitierte Bastian Jansen den Artikel 21 des Grundgesetzes. "Diesem Auftrag wollten wir gerecht werden", begründete der Sprecher der Schwetzinger Jusos die Idee zu einer überparteilichen Podiumsdiskussion mit jungen Politikern zu Stuttgart 21, die mit der Jungen Union im Palais Hirsch umgesetzt wurde.

Keinen leichten Stand hatte dabei Eva Lübke. Die Kreissprecherin der Grünen in Mannheim musste sich bei der Diskussion, die von unserem Redakteur Andreas Lin geleitet wurde, als einzige Befürworterin eines Ausstiegs gegen Leif Schubert, Beisitzer im FDP-Landesvorstand, sowie den Vorsitzenden der Jungen Union Schwetzingen, Eftimios Tsituridis, zur Wehr setzen.

"Für viel Geld soll wenig Bahnhof gebaut werden", kritisierte Lübke. Das Projekt sei "mangelhaft geplant", berge große Nachteile, beispielsweise beim Umsteigen, und sprenge "demnächst den Kostendeckel". Durch Erfahrungen aus anderen Bahnprojekten müsse mit einer Kostensteigerung von 70 bis 100 Prozent gerechnet werden. Das Geld würde anschließend für den Ausbau der ICE-Strecke Mannheim-Frankfurt fehlen. Daher sei die "Chance zum Ausstieg" bei der Volksabstimmung am Sonntag zu nutzen.

"Die Finanzierungstöpfe sind unabhängig", entgegnete Schubert, der wegen der Wichtigkeit des Projekts "eine Kostensteigerung in Kauf nehmen" würde. "Projekte in Schwetzingen sind nicht von Stuttgart abhängig", so der ehemalige Landesvorsitzende der Jungen Liberalen. Zudem seien die Kosten des Landes an Stuttgart 21 geringer als der Anteil am Länderfinanzierungsausgleich, ergänzte Tsituridis. Beide befürchten, dass sich das Land bei einem Ausstieg als unseriöser Vertragspartner darstelle und längerfristige Nachteile in der Zusammenarbeit mit der Bahn entstünden.
Die SPD ist hin- und hergerissen

Zwischen den Gleisen der Befürworter und der Gegnerin saß der Vierte im Bunde, Roman Götzmann. Der stellvertretende SPD-Kreisvorsitzende Karlsruhe-Land hatte die "undankbare Aufgabe", wie er gleich zu Beginn erklärte, "die Sowohl-als-auch-Haltung der SPD zu vertreten". Eine große Herausforderung für den ehemaligen Juso-Landesvorsitzenden, die er in eine Chance umzumünzen wusste. Als engagierter Gegner des Großprojekts in den vergangenen Jahren - "ich habe mir bei zwei Landesparteitagen eine Abfuhr eingehandelt" - ist er in einer Partei aktiv, die für den Bahnhofsumbau eintritt.

Aus dieser zwiespältigen Situation heraus schaffte er es, Argumente beider Seiten zusammenzuführen. "Das Projekt ist relativ teuer für das, was unter dem Strich rauskommt, das ist fakt", so der gebürtige Heidelberger. Er kritisierte vorrangig die Kommunikationspolitik der früheren Landesregierungen, die es verpasst hätten, sich "frühzeitig um Alternativen zu kümmern und diese mit der Bevölkerung zu diskutieren". Dann wäre die Bevölkerung auch bereit gewesen, eine Entscheidung zu akzeptieren, so Götzmann weiter.

"Die Politik muss mehr dazu kommen, die Menschen von Anfang an mit ins Boot zu nehmen", meinte auch Lübke. Obwohl Götzmann lange gegen S 21 gekämpft hat, votiert er nun gegen einen Ausstieg aus dem Projekt. Der Hauptgrund: die Ausstiegskosten. Diese werden je nach Argumentationsseite zwischen 350 Millionen und 1,5 Milliarden Euro beziffert. "Wenn ich in die Mitte ansetzte, also 800 bis 900 Millionen Euro, dann entspricht das etwa dem Landesbeitrag, den wir für den Bau von Stuttgart 21 zahlen müssten."

Lübke erhofft sich durch die Volksabstimmung mindestens ein "deutliches politisches Signal". Auch wenn das geforderte Quorum - die Mehrheit der Abstimmenden müsste für einen Ausstieg stimmen und diese Ausstiegsbefürworter müssten mindestens ein Drittel der Stimmberechtigten bilden, also rund 2,5 Millionen Menschen - nicht erreicht werden sollte, würde eine Stimmenmehrheit für einen Ausstieg Druck auf die Landesregierung ausüben. Die Bahn wolle ein "Prestigeobjekt" und habe daher lange nicht in das bestehende Schienennetz investiert.

"Das ist eigentlich ein grünes Projekt. Aber die CDU tritt dafür ein und die Grünen lehnen es ab", so Tsituridis. Mit einer Tieferlegung des Bahnhofes entstünden nicht nur Flächen für Büro- und Wohnräume, sondern werde auch der Schlosspark, die "grüne Lunge", verbreitert. "Das wertet die Stadt ökologisch eher auf", ist er überzeugt.
Entwicklungspotenzial vorhanden

Stuttgart sei "durch das Gleisfeld zertrennt", habe daher ein "Entwicklungspotenzial, dass es so in Europa nicht noch einmal gibt". Zudem pochte er auf die rechtlichen und bindenden Beschlüsse, die für das Projekt getroffen wurden.

"Es ist besser, den Vorgaben, die in 20 Jahren entwickelt wurden, zu folgen", hält auch Schubert S 21 für notwendig. Die FDP habe das Projekt vorangetrieben und stehe weiter dazu, "außer die Bevölkerung sagt: Wir möchten das nicht mehr". Für den 24-Jährigen geht es bei dem Projekt auch um die "Frage, wie man europäische Mobilität in Zukunft regeln möchte". Dadurch wachse Europa mehr zusammen, schlug Tsituridis in die gleiche Kerbe, dass das Bahnprojekt nicht alleine vom Standpunkt betrachtet werden solle, ob die Kurpfalz davon profitiere.

Einig waren sich die Jungpolitiker letztlich nur in zweierlei. Durch die Diskussion über das Projekt habe sich Demokratie und Transparenz in Deutschland weiterentwickelt und es sollten möglichst viele Stimmberechtigte den Weg in die Wahllokale suchen. "Am Sonntag stehen Sie auf dem Spielfeld und nicht mehr die Politiker. Sie tragen die Verantwortung. Auf welches Tor Sie schießen, müssen Sie selbst entscheiden. Aber wer nicht auf den Platz geht, hat schon verloren", so Götzmann.

Schwetzinger Zeitung
24. November 2011

 

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